»Kreuzkruzitürkensakramentsgendarmengesindel, dreckiges, fast das ganze Arbeiterwahlkomitee haben die eingesackt ...« »Sag, Sepp, was machen wir jetzt?« »Weiter mach’ mer! Ich glaub, wir müssen uns auf eine lange Zeit einrichten, da geht’s halt einmal grad und einmal krumm.«
Diese geraden und krummen Wege eines Arbeiterlebens zeichnet August Kühn in seinem Roman nach. "Zeit zum Aufstehn" ist eine Chronik über vier Generationen der Familie Kühn, die 1866 mit dem Weggang des Urgroßvaters aus dem Fränkischen beginnt, nach München führt und die Geschicke der Nachkommen in der Münchner Arbeiterschaft bis ins Jahr 1974 beschreibt. Kühn erzählt aber nicht nur die eigene Familiengeschichte, sondern lässt mehr als 100 Jahre Münchner Stadtgeschichte und deutscher Arbeiterbewegung aufleben.
In der 1975 zum ersten Mal veröffentlichten und seitdem viel gelesenen proletarischen Familiensaga vereint sich die pralle Fülle von August Kühns Leben mit akribischer Recherche und dem unerschütterlichen Glauben an eine bessere Zukunft.
August Kühn, so heißt der Urahn der Kühns, und so nennt sich ihm zum Gedenken der Verfasser dieser romanhaften, jedoch authentischen Familienchronik, die sich über hundert Jahre bis in die 1970er Jahre bundesdeutscher Geschichte erstreckt. Das Buch fand großen Zuspruch und wurde bei seinem Erscheinen 1975 ein ungewöhnlicher Erfolg. Der Aufstieg der Proletarierfamilie Kühn wurde dem Niedergang der Patrizierfamilie Buddenbrook gegenübergestellt.
Der Autor Kühn gehört seit „Zeit zum Aufstehn" zu den beachteten Autoren der Gegenwartsliteratur. Mit Detailkenntnis, Einfühlungsvermögen und Humor erzählt Kühn die Geschichte seines Urahns, der als junger Mann in München Fuß fasst, als Tagelöhner auf einem Dachboden haust, Frau und Freunde findet und den Unterschied zwischen seinesgleichen und den „Alteingesessenen", den Münchner Brauereibesitzern, Honoratioren und Beamten am eigenen Leibe zu spüren bekommt.
August Kühn wird Sozialdemokrat. Er und seine Freunde, Verwandten und Kinder erleben, erleiden und machen Geschichte. Kriege, Streiks, Revolution, Arbeitslosigkeit prägen das Familiengeschehen genauso wie Hochzeiten, Zwistigkeiten, Sterbefälle. Sie bilden ein Ganzes, ein exemplarisches Stück Geschichte, das in eindrucksvollen Bildern vor dem Auge des Lesers abläuft.
Aus der Sicht derer, auf deren Rücken Geschichte ausgetragen wird, erhalten wir Einblick in den Alltag der Menschen, erfahren aber auch, wie ihnen politischer Sinn für die Möglichkeiten zur Veränderung erwächst. Dabei ist Kühns Roman ein höchst individuelles und zugleich politisch-historisches Buch. In mühevoller Kleinarbeit und nach intensivem Archiv- und Dokumentenstudium ist es August Kühn gelungen, ein Werk zu schaffen, das sowohl geschichtskundig informiert als auch in spannender, lebendiger Erzählkunst unterhält. Kühn beschreibt den zähen Kampf der Menschen ums Überleben, wenn Kriege, Hungersnöte, Krankheiten und anderes Unglück über sie hinwegbrausen: lebendige Vergangenheit, die der Autor in farbigen Bildern darstellt und das Buch so zur fesselnden Lektüre werden lässt.
Bildteil von acht Seiten mit 24 Abbildungen aus dem Familienleben der Familie Kühn
Über den Autor: August Kühn, alias Helmut Münch, am 25. September 1936 in München geboren, durchlief zahlreiche gewöhnliche und ungewöhnliche Stationen eines Arbeiterlebens: 1939 Exil in der Schweiz wegen der jüdischen Abstammung seines Vaters, 1945 Rückkehr nach München, Realschulabschluss und Lehre, nach einigen Jahren Berufstätigkeit Wechsel in eine Münchner Boulevardzeitung als Volontär, Auswanderung nach Israel, Rückkehr nach München, Lohnarbeit in einer Speiseeisfirma, Entlassung wegen seines Eintretens für die Betriebsratsgründung, weitere Anstellungen, schließlich Erwerbslosigkeit. Verheiratet und sechs Kinder. Während der Erwerbslosigkeit beginnt er Bücher zu schreiben, nicht wenige über München und seine Geschichte. Er stirbt mit 59 Jahren am 9. Februar 1996 in Hinterwössen.
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Inhaltsverzeichnis&Vorwort
Leseprobe
Artikelnummer: L978107